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Kein Sex nötig

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Ein deutsch-israelisches Team entdeckt einen Genschalter, der für ungeschlechtliche Fortpflanzung sorgt

Kein Sex nötig

Pflänzchen des Laubmooses Physcomitrella patens mit Sporenkapsel. Foto: Nelly Horst, Pflanzenbiotechnologie Freiburg

Wenn ein Spermium und eine Eizelle miteinander verschmelzen, beginnt neues Leben. Dies ist bei Menschen und Tieren so, aber im Prinzip auch bei Pflanzen. Ein deutsch-israelisches Team um den Freiburger Biologen Prof. Dr. Ralf Reski hat am Moos Physcomitrella patens nun einen Genschalter entdeckt, der auch ohne Befruchtung zu Nachkommen führt. Die Forscherinnen und Forscher vermuten, dass dieser Mechanismus in der Evolution konserviert ist und zentrale Fragen der Biologie beantwortet. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Nature Plants“ erschienen.

„Moose besitzen, wie Menschen und Tiere auch, Eizellen und bewegliche Spermien. Deswegen eignen sie sich besonders gut, grundlegende Fragen der Biologie zu klären“, sagt Reski. Nach der Verschmelzung von Spermium und Eizelle wird ein Netzwerk von Genen aktiviert, das zur Entwicklung eines Embryos führt, der zu einem neuen Lebewesen heranwächst. Bisher war unklar, ob es für diese Genaktivierung einen zentralen Schalter gibt. In seiner aktuellen Veröffentlichung beschreibt das Team, dass das Gen BELL1 in Physcomitrella als Masterregulator für die Bildung von Embryonen und deren Entwicklung dient. Als die Forscher es in der Pflanze gentechnisch aktivierten, entwickelten sich an einem bestimmten Zelltyp spontan Embryonen, die zu vollständigen Moos-Sporophyten heranwuchsen. Diese Sporenkapseln konnten sogar Sporen ausbilden, die zu neuen Moospflanzen heranwuchsen. Damit hat das Team BELL1 als zentralen Genschalter für die Embryonalentwicklung bei Moosen identifiziert.

Das von diesem Gen kodierte Protein gehört zur Klasse der so genannten Homöobox-Transkriptionsfaktoren. Ähnliche homöotische Gene sind auch in Menschen und Tieren vorhanden, bei denen sie ebenfalls zentrale Entwicklungsprozesse steuern. Ob ein Artverwandter von BELL1 auch zentral für die Embryonalentwicklung im Menschen verantwortlich ist, ist bisher nicht bekannt. „Unsere Ergebnisse haben über Moose hinaus eine Bedeutung“, betont Reski. „Zum einen können sie erklären, wie die Entwicklung von Algen zu Landpflanzen erfolgte und so unsere heutigen Ökosysteme entstanden. Zum anderen können sie helfen, die Landwirtschaft zu modernisieren, indem genetisch gleiche Nachkommen von besonders ertragreichen Getreidepflanzen erzeugt werden.“ Solche Versuche sind in Fachkreisen unter dem Stichwort Apomixis bekannt.

Die Biologinnen und Biologen in Freiburg sind Spezialisten in der Moosforschung und haben dazu beigetragen, dass Physcomitrella weltweit als Modellorganismus für die Biologie und die Biotechnologie genutzt wird. An der aktuellen Studie haben sie mit Prof. Dr. Nir Ohad und seinem Team von der Tel-Aviv Universität in Israel zusammengearbeitet. Die Deutsch-Israelische Stiftung GIF, das Freiburger Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies und das Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) haben die Forschung unterstützt.

Ralf Reski ist Inhaber der Professur für Pflanzenbiotechnologie an der Albert-Ludwigs-Universität. Der Biologe ist Mitglied des Exzellenzclusters BIOSS und war Senior Fellow am FRIAS sowie am französischen Pendant USIAS, dem Institute for Advanced Study der Université de Strasbourg.

Originalveröffentlichung:
Nelly A. Horst, Aviva Katz, Idan Pereman, Eva L. Decker, Nir Ohad, Ralf Reski (2016): A single homeobox gene triggers phase transition, embryogenesis, and asexual reproduction. Nature Plants, DOI: 10.1038/nplants.2015.209.



Kontakt:
Prof. Dr. Ralf Reski
Pflanzenbiotechnologie
Fakultät für Biologie
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-6969
E-Mail: pbt@biologie.uni-freiburg.de

Druckversion der Pressemitteilung (pdf).


 

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