Eine Fernsteuerung für den Gentransfer
Forschende des Exzellenzclusters CIBSS – Centre für Integrative Biological Signalling Studies entwickeln Technologie, um Gene kontrolliert in einzelne Zellen einzubringen
In ihrer neuen Methode bringen die Freiburger Forschenden die genetischen Informationen mit einer optischen Fernsteuerung ein. Dadurch nehmen nur Zellen, die mit rotem Licht beleuchtet werden, die gewünschten Gene auf. Illustration: Michal Rössler
Die Möglichkeit, gewünschte Gene in tierische und menschliche Zellen einzufügen, ist die Grundlage der modernen lebenswissenschaftlichen Forschung sowie von weit verbreiteten biomedizinischen Anwendungen. Die bisher dafür verwendeten Methoden sind zumeist unspezifisch, so dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schwer kontrollieren können, wann welche Zelle ein Gen aufnimmt oder nicht. Für diesen Gentransfer werden die Zielgene häufig in so genannte virale Vektoren verpackt. Das sind Viren, in denen ein Teil des Erbguts durch die Zielgene ersetzt wurden. Wenn Forschende diese viralen Vektoren dann zu Zellen geben, schleusen die Vektoren diese Gene in die Zellen ein, wie es zum Beispiel bei den aktuellen SARS-CoV-2-Impfstoffen der Firmen AstraZeneca und Johnson&Johnson geschieht. Das ist der Punkt, an dem es schwierig bis unmöglich ist, zu kontrollieren, in welche Zellen die Zielgene gelangen, da die viralen Vektoren eher unspezifisch an alle Zellen eines Zelltyps andocken. Ein Team von Forschenden des Exzellenzclusters CIBSS - Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg um Dr. Maximilian Hörner, Prof. Dr. Wolfgang Schamel und Prof. Dr. Wilfried Weber hat eine neue Technologie entwickelt, mit der sie Zielgene kontrolliert einschleusen und dadurch Vorgänge in einzelnen ausgewählten Zellen steuern können. Ihre Arbeit hat das Team in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Science Advances vorgestellt.
Veränderung eines viralen Vektortyps
In ihrer neuen Methode bringen die Freiburger Forschenden die genetischen Informationen mit einer optischen Fernsteuerung ein. Dadurch nehmen nur Zellen, die mit rotem Licht beleuchtet werden, die gewünschten Gene auf. Die Wissenschaftler veränderten dafür einen viralen Vektortyp, einen so genannten AAV-Vektor, der bereits im klinischen Einsatz ist. „Wir haben dem viralen Vektor die Möglichkeit genommen, an Zellen anzudocken“, erklärt Hörner, „was ein essentieller Schritt ist, bevor das Erbgut eingeschleust werden kann.“
Um die Steuerung per Licht zu ermöglichen, haben die Forschenden das Rotlichtrezeptorsystem der Pflanze Arabidopsis thaliana (Acker-Schmalwand) entnommen: Dieses System besteht aus zwei Proteinen, PhyB und PIF, die aneinander binden, sobald PhyB mit roten Licht angeleuchtet wird. Das Freiburger Team brachte das Protein PIF auf die Oberfläche des viralen Vektors und modifizierte das andere Protein PhyB so, dass es an menschliche Zellen binden kann. Sobald sich dieser modifizierte Vektor, der so genannte OptoAAV, zusammen mit dem zellbindenden Protein in einer Zellkultur befindet, bindet das Protein an alle Zellen. „Wird nun eine ausgewählte Zelle mit rotem Licht beleuchtet, kann an diese Zelle der modifizierte Vektor binden und die Zielgene in die beleuchtete Zelle einschleusen“, erläutert Hörner.
Wichtiger Aspekt der biologischen Signalforschung
Durch diesen neuen Ansatz können die Forschenden innerhalb einer Gewebekultur die Zielgene in die gewünschten Zellen einführen. Zudem gelang es ihnen, die Gewebekultur nacheinander an unterschiedlichen Orten zu beleuchten, um somit unterschiedliche Gene in verschiedene Zellen innerhalb einer Kultur gezielt einzubringen. Mit dieser Technik ist es nun möglich, gewünschte Vorgänge in einzelnen Zellen zu steuern: Das ist essentiell, um zu verstehen, wie eine einzelne Zelle mit den Zellen in ihrer Umgebung kommuniziert, um zum Beispiel die Entwicklung oder Regeneration eines Organs zu steuern. „Da solche viralen Vektoren im therapeutischen Bereich immer häufiger verwendet werden“, sagt Weber, „denken wir, dass diese neue Technologie das Potential hat, um solche biomedizinischen Anwendungen präziser zu gestalten.“
Exzellenzcluster CIBSS - Centre for Integrative Biological Signalling
Forscherinnen und Forscher untersuchen im Exzellenzcluster CIBSS - Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg die grundlegenden Kommunikationsprozesse, die das multizelluläre Leben in Mensch, Tier und Pflanze bestimmen. Sie wollen dadurch ein übergeordnetes, integratives Verständnis der biologischen Signalprozesse erhalten, um darauf basierend mit Methoden der synthetischen und chemischen Biologie maßgeschneiderte molekulare Werkzeuge zu entwickeln, mit denen sie Signalprozesse präzise steuern können. Dadurch wollen die Forschenden Strategien unter anderem zur Behandlung von Krebs mittels Immuntherapien oder zum ressourcenschonende Wachstum von Nutzpflanzen entwickeln. Maximilien Hörner und Wolfgang Schamel sind Gruppenleiter im Exzellenzcluster, Wilfried Weber ist Mitglied des Sprecherteams.
Originalpublikation:
Hörner, M., Jerez-Longres, C., Hudek, A., Hook, S., Yousefi, O. S., Schamel, W. W. A., Hörner, C., Zurbriggen, M. D., Ye, H., Wagner, H. J., Weber, W. (2021): Spatiotemporally confined red light-controlled gene delivery at single-cell resolution using adeno-associated viral vectors. In: Science Advances. Vol. 7, No. 25. DOI: 10.1126/sciadv.abf0797
Kontakt:
Prof. Dr. Wilfried Weber
CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-97654
E-Mail: wilfried.weber@biologie.uni-freiburg.de
Annette Kollefrath-Persch
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-8909
E-Mail: annette.persch@pr.uni-freiburg.de