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Sicherheit ist wichtig, nicht die Entstehung

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Ralf Reski erklärt die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Vorteile der CRISPR/Cas-Methode

Sicherheit ist wichtig, nicht die Entstehung

Quelle: A. Bueckert/Fotolia

Im Sommer 2018 hat der Europäische Gerichtshof entschieden: Pflanzen, die mit der modernen Gentechnik-Methode „CRISPR/Cas“ verändert wurden, unterliegen strengen Regulierungen. Ralf Reski, Professor für Planzenbiotechnologie, fordert deshalb von den Gesetzgebern neue Richtlinien. Im Gespräch mit Annette Kollefrath-Persch erklärt er die Verwendungsmöglichkeiten sowie die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Vorteile von CRISP/Cas.

Herr Reski, der Europäische Gerichtshof (EUGh) hat entschieden, dass die neue CRISPR/Cas-Methode als Gentechnik anzusehen ist. Die damit bearbeiteten Organismen unterliegen nun den gleichen Zulassungs- und Kennzeichnungsvorschriften wie solche, die mit der altbekannten Gentechnik verändert wurden. Wie bewerten Sie als Pflanzenbiotechnologe diese Richterentscheidung?

Ralf Reski: Das Interessante an dem Gerichtsurteil ist, dass in ihm auch die Richtlinien bezüglich der klassischen Züchtungsverfahren bestätigt wurden. Pflanzen mit durch Radioaktivität oder chemische Substanzen erzeugten Mutationen gelten als gentechnisch modifizierte Organismen (GMO), fallen aber weiterhin nicht unter die strengen Regulierungen des Gentechnikgesetzes. Und solche Produkte gibt es viele, auch in den Bio-Läden. Aber weil diese schon so lange auf dem Markt sind und sie als sicher beurteilt werden, so die Argumentation, braucht es keine neuen Richtlinien. In dem aktuellen Urteil wird aber nicht bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt, dass mit Gentechnik erzeugte Pflanzen in Nord- und Südamerika seit gut 30 Jahre auf dem Markt sind, und es auch damit keine nachteiligen Erfahrungen gibt.

Und die CRISPR/Cas-Methode ist eine moderne Bezeichnung für Gentechnik?

Nein. Das Neue an CRISPR/Cas ist, dass an den Genen in der Pflanze sehr gezielt Veränderungen gemacht werden können, die sich dann von natürlichen Mutationen nicht unterscheiden. So können wir die vorhandenen Gene so verändern, dass die Pflanzen neue Eigenschaften haben oder unerwünschte Eigenschaften verlieren. Dem gegenüber können wir mit der klassischen Gentechnik Gene anderer Organismen in Pflanzen einfügen, wie zum Beispiel beim Goldenen Reis, der dann im Reiskorn Provitamin A produziert, oder bei uns im Labor Moose so verändern, dass sie menschliche Proteine für Therapiezwecke produzieren.

Ist das neue Urteil also aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet falsch?

Ich will keine Richterschelte betreiben, sondern die Gesetzgeber auffordern, hier endlich für klare Gesetze und Richtlinien zu sorgen. Das was Forschende mit CRISPR/Cas machen, also Gene verändern, passiert täglich auf den Feldern und im menschlichen Körper unter natürlichen Bedingungen. Das EUGh-Urteil führt jetzt zu der unsinnigen Situation, dass eine neue Pflanzensorte aus den USA importiert wird, aber selbst Wissenschaftler nicht kontrollieren können, ob diese Pflanze eine klassische Züchtung ist oder mit CRISPR/Cas erzeugt wurde. Und trotzdem soll eins von beiden sehr stark reguliert werden. Und das ist absolut widersinnig. Deswegen laufen alle Fachgesellschaften dagegen Sturm. Ein weiterer Beleg für diesen Widersinn: Alle heutigen Süßkartoffeln stammen von einer Wildsorte ab, die vor tausenden von Jahren ganz natürlich transformiert, also genetisch verändert wurde, und zwar mit dem gleichen Agrobacterium, das wir heute in der klassischen Gentechnik benutzen.


Ralf Reski will die Gesetzgeber auffordern, für klare Gesetze und Richtlinien zu sorgen. 
Foto: livMatS

Was wären denn sinnvolle Richtlinien?

Das wissenschaftlich Vernünftigste wäre nach der Sicherheit des Produktes zu regulieren, unabhängig davon, wie es entstanden ist. So wie beim Auto. Da fragt man nicht, ob es in Handarbeit oder am Fließband gebaut wurde, sondern ob es am Ende sauber, sicher und effizient ist. Wir stehen vor der globalen Herausforderung, dass wir umweltschonend immer mehr Menschen satt kriegen müssen, und das bei weltweit abnehmenden Anbauflächen. In dieser Situation auf effiziente Technologien zu verzichten, ist verantwortungslos. Ein bisschen bösartig formuliert, führen wir in Europa eine Luxusdiskussion über Technologien. Diese Diskussion können wir uns nur leisten, weil wir die Ernährungsprobleme in anderen Ländern ignorieren.

Welche Vorteile hat die CRISPR/Cas-Methode in der Pflanzenzüchtung gegenüber den bisherigen Verfahren?

Die ursprünglichen Methoden, bei denen Mutationen mit Radioaktivität oder Chemikalien erzeugt wurden, die ja im Menschen Krebs erzeugen können, waren völlig ungerichtet. Züchter haben in mühevoller Kleinarbeit die Pflanzen, welche die gewünschten Eigenschaften hatten, immer weiter gekreuzt und vermehrt. Es wurde nicht untersucht, welche Gene dabei verändert wurden, also welche so genannten Off-Target-Ereignisse es gab. CRISPR/Cas ist ein biologisches Verfahren, das ursprünglich Bakterien zur Abwehr von Viren entwickelt haben. Damit können in allen Organismen gezielt Gene verändert werden, um neue Eigenschaften hinein- und alte herauszuzüchten. Und es ist eben nicht mehr möglich, nachzuweisen, ob diese genetischen Veränderungen in der Natur oder im Labor stattgefunden haben. Damit sind wir einen entscheidenden Schritt weiter, den natürlichen Prozess der Evolution nachzuvollziehen.

Aber ist die neue Technologie nicht nur aus wissenschaftlicher, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht besser?

Ja, CRISPR/Cas ist wesentlich effizienter und damit kostengünstiger als die klassischen Methoden. Drei Fachartikeln haben kürzlich gezeigt: Das, was in 30 bis 40 Jahren klassischer Züchtung gemacht wurde, also die Veränderung von drei oder vier Genen in einer Pflanze, kann mit der neuen Technologie innerhalb von knapp einem Jahr gelingen.

Wird es weiterhin Off-Target-Effekte geben?

Mit CRISPR/Cas zielen wir immer auf ein bestimmtes Gen. Mit den heutigen Kenntnissen, die man über die verschiedenen Genome hat, gelingt das auch immer genauer, dennoch können versehentlich auch mal andere Gene betroffen sein. Kein Prozess, sei er natürlich oder technisch, verläuft immer zu einhundert Prozent fehlerfrei. Aber dank der modernen Methoden ist es möglich, unbeabsichtigte Veränderungen nachzuweisen. Und dann wird mit dieser Pflanze nicht weitergezüchtet.

Nicht nur in der Pflanzenforschung wird mit CRISPR/Cas gearbeitet. Doch bei Versuchen mit Zellen von Mäusen und Menschen kam es – laut einer britischen Studie – zu ungewollten Mutationen. Verursacht die Methode mehr Krankheiten als sie heilt?

Natürlich gibt es auch da Off-Target-Effekt und deshalb dürfen nur die Zellen weiterverwendet werden, die keine zeigen. Aber es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob wir die Technologie anwenden wollen, um Menschen zu heilen. Nehmen wir zum Beispiel die Infektion mit HIV, bei der sich das Virus ins Genom integriert. Mit Medikamenten haben die Betroffenen heutzutage eine sehr lange Lebensdauer. Aber rein theoretisch kann man mit CRISPR/Cas diese Viren auch wieder aus dem Genom ausschneiden. Und das würde dazu führen, dass die Patienten wieder beschwerdefrei sind und keine Medikamente, die schließlich Nebenwirkungen haben, benötigen. Das bedarf einer ethischen Bewertung. 

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