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Grüne Revolution für Getreide

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Zellbiologe Thomas Ott will Ernährung sicherer und Landwirtschaft nachhaltiger machen

Grüne Revolution für Getreide

In seinem Labor will Thomas Ott Getreide wie Weizen und Gerste dazu bringen, Knöllchenbakterien wie bei Hülsenfrüchtler-Pflanzen auszubilden. Foto: Jürgen Gocke

 

Manche Pflanzen leben in Symbiose mit Bakterien. Im Tausch gegen Zucker liefern die Mikroorganismen den Gewächsen Dünger. Zellbiologe Prof. Dr. Thomas Ott will im Exzellenzcluster Centre for Integrative Biological Signalling Studies – CIBSS auch Getreide die Fähigkeit verleihen, diese Symbiose einzugehen. So etwas beherrschen Gerste, Weizen und Co. noch nicht. Einmal etabliert, ließe sich das Prinzip bei allen Pflanzenarten anwenden. Das internationale Forschungsvorhaben soll die weltweite Ernährungslage verbessern.

Thomas Ott plant eine Revolution. Eine grüne Revolution, zusammen mit einem internationalen Forschungsverbund. Der Zellbiologe von der Universität Freiburg erforscht Nanodomänen. Mit diesen Proteinansammlungen kommunizieren Pflanzenzellen untereinander und reagieren auf äußere Einflüsse wie Nährstoffe oder Bakterien. „Solche Signalprozesse laufen fast immer über Nanodomänen“, sagt Ott. Im Exzellenzcluster CIBSS untersucht er speziell einen Vorgang: Wie freunden sich Hülsenfrüchtler-Pflanzen mit Knöllchenbakterien an? In ihrer Partnerschaft erhalten die Mikroorganismen Nährstoffe von den Pflanzen und liefern denen quasi Dünger. Darum wollen Forschende jetzt Getreidepflanzen mit Knöllchenbakterien verkuppeln. Das neuartige Korn würde ohne Düngung auf kargen Böden gedeihen.

Ein komplizierter Flirt

Doch der Flirt, mit dem Bakterien und Hülsenfrüchtler ihren symbiotischen Pakt aushandeln, steckt voller Fragezeichen. „Selbstdüngendes Getreide ist ein Mammutprojekt“, betont Ott. Es steht unter der Schirmherrschaft der Bill & Melinda Gates Stiftung. Ihr ENSA-Programm (Engineering Nitrogen Symbiosis for Africa) unter der Leitung des Sainsbury Laboratoriums und der Universität Cambridge fördert weltweit rund ein Dutzend Forschungsteams. Sie sollen zunächst Gerste dazu bringen, Knöllchenbakterien als Partner zu akzeptieren. „Unser CIBSS-Projekt ist eng mit ENSA verschaltet“, sagt Ott. Beide Seiten profitieren. ENSA durch die Freiburger Ergebnisse und CIBSS durch Ressourcen wie Serviceleistungen, Daten und Materialien: „Dieses Verbundprojekt gibt uns die Möglichkeit, Versuche zu machen, für die uns im Normalfall die Rahmenbedingungen fehlen.“

  

Biologische Signale und Signalwege

Damit Billionen von Zellen geordnete Gewebe, Organe und gesunde Organismen bilden, erhalten und regenerieren, ist eine sehr genaue Abstimmung nötig. Dazu laufen komplexe Kommunikationsprozesse zwischen und innerhalb von Zellen ab. Defekte in diesen Kommunikationsnetzwerken können Entwicklungsstörungen, Immunschwäche, Krebs und andere Erkrankungen auslösen. Der Cluster CIBSS verfolgt das Ziel, ein umfassendes Verständnis von diesen Kommunikationsprozessen zu gewinnen – von der molekularen Ebene bis hin zur Ebene von Zellen und Organen. Des Weiteren werden CIBSS-Forschungsgruppen untersuchen, wie diese Kommunikationsprozesse mit anderen wichtigen biologischen Prozessen, wie etwa dem Stoffwechsel, in Verbindung stehen. Basierend auf den neuen Erkenntnissen werden die Forschenden Perspektiven entwickeln, um Herausforderungen in der Immuntherapie oder der nachhaltigen Produktion von Nutzpflanzen zu begegnen.
 


Vernetzt, verzweigt, verbunden: Die Forscher untersuchen,
wie Billionen von Zellen miteinander kommunizieren.
Quelle: Sascha Stadelbacher

     

 

Erst einmal misstrauen Pflanzen den Bodenbakterien, erzählt der Zellbiologe: „Eine Vielzahl von ihnen sind Krankheitserreger für Pflanzen.“ Darum geben sich Knöllchenbakterien zu erkennen, wenn sie in die Nähe der Wurzeln von Hülsenfrüchtlern kommen. „Sie sagen: Ich bin dein richtiger Partner“, so Ott. Die Ohren in der Zellmembran, mit dem die Pflanze dieses Hallo vernimmt, sind Rezeptoren. Akzeptieren sie die Begrüßung, vereinigen sie sich mit anderen Proteinen und bilden eine Nanodomäne. „Das sind geordnete Cluster, also Ansammlungen von Proteinen, die im gleichen Signalweg aktiv sind“, erklärt Ott. Seine Arbeitsgruppe hat entdeckt, dass die Eintrittsrezeptoren Schlepper brauchen: Gerüstproteine ziehen die Rezeptoren in die Nanodömäne hinein. „Ohne Gerüstproteine funktioniert das Clustering nicht.“ Zudem werden die Rezeptoren dann aus der Zellmembran entfernt und abgebaut. Das bedeutet: Ohne Gerüstproteine keine Symbiose.

Nachthimmel auf Zelloberflächen

Gerste wird also mehr benötigen als die Eintrittsrezeptoren der Hülsenfrüchtler, vermutet Ott. „Wir müssen wahrscheinlich eine geeignete Nanodomäne einbauen.“ Als solche gelten Proteincluster bis zur Größe von einem Mikrometer. Nanodomänen können folglich zwei, drei oder mehrere Proteinkomplexe enthalten und haben oft mehrere Aufgaben. Sie unterscheiden Freund von Feind, sprechen auf Nährstoffe in der Umgebung an, leiten zelluläre Reaktionen ein und koordinieren das Verhalten der Zellen. An Nanodomänen findet extrem viel Austausch statt. Sie tragen – zumindest zeitweise – innen und außen weitere Proteine. Damit empfangen Nanodomänen Reize und Signale, schleusen Botschaften gegebenenfalls durch die Zellhülle und geben sie auf der anderen Seite weiter.


Geht Thomas Otts Forschungsvorhaben auf, wird sich Getreide bald selbst düngen können – die Ernte verspricht einen um 30 Prozent höheren Ertrag. Foto: photoschmidt/stock.adobe.com

„Wir können Nanodomänen sehr gut visualisieren“, sagt Ott und präsentiert mikroskopische Aufnahmen. Darauf sind strukturierte Flächen mit hellen Pünktchen zu sehen: „Nachthimmel auf Zelloberflächen“. Jedes Sternchen zeigt eine Nanodomäne, die Proteine mit Leuchtmarkierungen enthält. Es handelt sich um den Domänentyp, über den Knöllchenbakterien mit Hülsenfrüchtlern paktieren. Stimmt die Chemie zwischen beiden, schalten die Wurzelzellen der Pflanze auf den Symbiose-Modus um: Die Wurzelhaare krümmen sich und umschließen das Bakterium. Parallel wachsen tiefer im Gewebe die Knöllchen heran – die künftige Heimat der Bakterien. „Bei den ganzen Prozessen laufen unheimlich viele Signalprozesse auf verschiedensten Skalen ab“, sagt Ott. Sie regeln später auch den Handel: Knöllchenbakterien, die Rhizobien, fixieren aus der Atmosphäre gasförmigen Stickstoff. Diesen Dünger liefern sie den Hülsenfrüchtlern, die auch Leguminosen heißen. Sie ernähren im Gegenzug die Bakterien mit Zuckern, die die Pflanzen mithilfe der Photosynthese hergestellt haben.

Filme aus lebenden Zellen in Echtzeit

Was aber braucht Gerste, um mit den Bakterien anbandeln zu können, sprich: sie zu erkennen und richtig zu reagieren? Welche und wie viele Proteine sind nötig? Müssen alle in einer Nanodomäne zusammenkommen? Solche Fragen knöpfen sich Ott und seine 14-köpfige Arbeitsgruppe gerade vor. Aus einzelnen markierten Proteinen wollen sie zunächst in Gerste Nanodomänen mit Eintrittsrezeptoren zusammensetzen: „Wir wollen das Pünktchen auf ihren Zellen unter dem Mikroskop leuchten sehen.“ Danach werden die Forscherinnen und Forscher einzelne Proteine weglassen oder mutieren und schauen, was passiert, wenn sie Knöllchenbakterien zu entsprechenden Gerstenpflanzen geben. Leitet die Nachbaudomäne Signale weiter? Werden Gerstenzellen die Eintrittsrezeptoren abbauen, wenn Schlepper-Gerüstproteine fehlen? Was ist bei der Gerste wie bei den Hülsenfrüchtlern, und wo liegen die Unterschiede?


Auf der Puzzleteil-förmigen Zelle eines Blatts sind Proteinkomplexe zu sehen. Diese kleinen Punkte bestehen unter anderem aus molekularen Gerüstproteinen und Zelloberflächenrezeptoren – ohne sie kann es keine Symbiose zwischen Pflanze und Knöllchenbakterium geben. Quelle: Thomas Ott

Neben der Molekularbiologie sind moderne Mikroskopieverfahren wichtige Werkzeuge: „Damit können wir Proteinkomplexe in lebenden Zellen in Echtzeit beobachten und filmen“, sagt Ott. Bis auf eine billionstel Sekunde lässt sich auflösen, wie Proteine zusammenfinden, beieinander bleiben und sich wieder trennen. Mit der Mikroskopie kann Ott auch feststellen, ob die Freundschaftssignale bis zum Zellkern gelangen. „Wenn Wahrnehmung und Weiterleitung klappen, stößt der Zellkern in Wellen Kalzium aus.“ Ein eingeschleustes Protein, das durch Kalzium aufleuchtet, fängt dann an, rhythmisch zu blinken.

30 Prozent mehr Ertrag

„Im Rahmen von CIBSS wollen wir auf jeden Fall die Eintritts-Nanodomäne funktionell rekonstruieren“, erklärt Ott. Er hofft sogar, der Gerste Partnerschaftssignale übermitteln zu können, auf die das Gewächs richtig eingeht. „Mein Traum ist selbstdüngendes Getreide“, sagt der Wissenschaftler, der Biologie in Göttingen und Manchester studiert hat. Über Potsdam-Golm und das südfranzösische Toulouse kam er nach München, wo er als Postdoc, Gruppenleiter und später als Genetikprofessor gearbeitet hat. Die Universität Freiburg lockte ihn 2016 mit einem guten familienfreundlichen Angebot in den Breisgau. Ott lobt auch das Forschungsumfeld vor Ort und kommt auf das Ziel seiner Karriere zurück: Selbstdüngendes Getreide bräuchte keinen Dünger und nicht mehr Wasser als andere Getreide, aber brächte 30 Prozent mehr Ertrag. Einmal etabliert, ließe sich das Prinzip bei allen Pflanzenarten anwenden. „Global hätte das enorme Auswirkungen für die Ernährungssicherheit und eine nachhaltige Landwirtschaft. Dazu möchte ich zumindest einen wichtigen Teil beigetragen haben.“

Jürgen Schickinger

 

CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies

CIBSS ist einer der beiden neuen Exzellenzcluster der Universität Freiburg. Darin werden mehr als 60 Arbeitsgruppen biologische Signalprozesse von Immunzellen, rund um Mitochondrien, in der Organentwicklung und in Wurzeln von Pflanzen erforschen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen aus sechs Fakultäten – der Fakultät für Biologie, Mathematik und Physik, Medizin, Chemie und Pharmazie, Technik sowie der Fakultät für Rechtswissenschaften. Auch das Universitätsklinikum sowie das Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik sind beteiligt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert den Cluster von Anfang 2019 bis Ende 2025.

CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies

 

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