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Die grüne Oase feiert Geburtstag

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Der Botanische Garten der Universität Freiburg wird 400 Jahre alt – und hat sein Gesicht in dieser Zeit immer wieder verändert

Die grüne Oase feiert Geburtstag

1912 zog der Botanische Garten auf ein Grundstück an der Schänzlestraße im Stadtteil Herdern um. Bis heute ist das sein Standort geblieben. Foto: Thomas Kunz

Der Botanische Garten der Universität Freiburg an der Schänzlestraße im Stadtteil Herdern feiert ein stolzes Jubiläum. Seit der Gründung 1620 sind 400 Jahre vergangen – geprägt von Kriegswirren, Zerstörungen und mehrfachen Neuanfängen an neuen Standorten, aber auch durch die zunehmende Bedeutung der naturwissenschaftlichen Forschung an der Universität. Die mehr als 6.000 Pflanzenarten aus aller Welt, die im Garten gedeihen, ziehen nicht nur Besucherinnen und Besucher an, sondern dienen auch als Objekte für Forschung und Lehre.


Ein frischer Schauer, und der Tag kann beginnen: Regina Müller vom gärtnerischen Team besprüht die Pflanzen in den Tropischen Gewächshäusern, um die Luftfeuchtigkeit zu erhöhen. Foto: Thomas Kunz

„Die ersten Gärten haben mit dem heutigen Botanischen Garten kaum etwas gemeinsam“, betont Prof. Dr. Thomas Speck, seit 2002 Direktor des Gartens. Der erste „Hortus Medicus“ sei vor allem für die Ausbildung von angehenden Medizinern angelegt worden, ganz nach dem Motto „Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen“.

Heute sei der fünftälteste universitäre Garten in Deutschland ein Schaufenster für Forschung und Lehre, aber auch ein Ort der Ruhe, Entspannung und Bildung für die Öffentlichkeit. Die ursprüngliche Gartenanlage am jetzigen Standort habe die Pflanzengeografie in den Mittelpunkt gestellt. „Damit sprach der Garten die gestiegenen Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an, die sich zunehmend Reisen in fremde Länder leisten konnten“, erzählt Speck. Die pflanzlichen Stammbäume seien weit vor den Ergebnissen der molekularen Systematik entstanden. Nach heutiger Erkenntnis sei einiges falsch gedeutet worden, anderes jedoch immer noch korrekt. Eine Schautafel verdeutlicht die Änderungen.


Bionik im Botanischen Garten: Thomas Speck arbeitet unter anderem an dem Vorhaben, den komplexen Mechanismus einer Venusfliegenfalle mit künstlichen Materialien nachzubauen. Foto: Jürgen Gocke

Die Zeiten überdauern mit dem Arche-Noah-Prinzip

Ein Beispiel für die enge Verbundenheit des Gartens mit der Wissenschaft ist die Bionik. Ein Lehrpfad mit 15 Tafeln informiert über die Ergebnisse der Grundlagenforschung. Bekannt ist unter anderem der Selbstreinigungs- oder „Lotus“-Effekt, beobachtet an der gleichnamigen Sumpfpflanze. Als eine wichtige Funktion des Gartens beschreibt Speck das so genannte Arche-Noah-Prinzip: bedrohte Arten sollen erhalten werden. Zu solchen Erhaltungskulturen zählt etwa der kleine Weinberg entlang des Institutsgebäudes, bepflanzt mit verschiedenen Rebsorten und traditionellen Begleitern wie Weinbergstulpen oder Weinbergslauch, deren Zwiebeln auch zum Auswildern an Winzerinnen und Winzer abgegeben werden. Es sei auch schon vorgekommen, dass Besucherinnen und Besucher die Aufgabe der Arterhaltung missverstanden und vor dem Urlaub Aquariumstiere wie kleine Piranhas ungefragt der Obhut des Gartens übergeben hätten. Und bei kleinen Fischen ist es nicht geblieben. Als der Gärtnermeister bei der Arbeit an einem der Teiche einen unerklärlichen elektrischen Schlag bekam, habe man einen mehr als einen Meter langen Zitteraal als Verursacher gefunden. Den Rest seines Lebens habe das Tier dann in der Stuttgarter Wilhelma zubringen dürfen.

Neuburg machte 1620 den Anfang

Bei Ausstellungen wie „Forscher, Sammler, Pflanzenjäger“ steht der Garten im engen Austausch mit circa 100 weiteren Botanischen Gärten in Deutschland. „Wir bieten zudem jährlich 100 bis 150 Führungen für Schulklassen, Firmen und interessierte Besuchergruppen an“, informiert der Gartendirektor.

Der erste Vorgängergarten entstand 1620 im Stadtteil Neuburg, vermutlich auf dem Gelände des heutigen Stadtgartens. Der genaue Standort ist nicht bekannt. Der Dreißigjährige Krieg und die Festungsbauten Vaubans um 1677 brachten ihm das Aus. Überbleibsel des Gartens wurden laut einer Chronik „kulinarischen Zwecken zugeführt“. Der zweite Garten wurde nach 90 Jahren Pause 1766 entlang der heutigen Kronenstraße am linken Ufer der Dreisam angelegt. Trotz einer verstärkten botanischen Ausrichtung an dem „Clavis Systematis Sexualis“ des berühmten Naturforschers Carl von Linné war er, wie schon sein Vorgänger, hauptsächlich ein medizinischer Lehrgarten. Die falsch verstandene Bezeichnung der an Staub- und Fruchtblättern orientierten Systematik Linnés bewog die katholische Kirche übrigens dazu, Linnés Forschung auf den Index zu setzen.

Badische Markgrafen und neue Gewächshäuser

Der wissenschaftliche Beitrag seiner botanisch interessierten Direktoren brachte den Garten in vorderösterreichischer Zeit voran. Ab 1805, unter der Herrschaft der badischen Markgrafen, veränderte er jedoch deutlich sein Gesicht: „Mit finanzieller Unterstützung wurden von 1827 an Gewächshäuser neu angelegt und bestehende erweitert“, berichtet Speck. „Die wissenschaftlich-botanische Ausrichtung nahm ihren Anfang.“ Ein Novum war auch der nationale und internationale Austausch von Samen unter den Botanischen Gärten, der 1830 begann – damals mit circa 3.300 Arten, heute mit 6.000. Der Platzbedarf der wachsenden Stadt an der Dreisam, der sich auch im Bau neuer Straßen niederschlug, vertrieb den Garten 1879 erst ins Institutsviertel und nach auch dort steigender Bautätigkeit um 1912 auf ein angekauftes Grundstück an der Schänzlestraße im Stadtteil Herdern, dem gegenwärtigen Standort des vierten Gartens.


Gut gewappnet gegen den Klimawandel: Eine ausgeklügelte Tröpfchenbewässerung versorgt trockenheitsempfindliche Bäume. Foto: Thomas Kunz

Der Garten in Zeiten von Corona

In diese Zeit fällt auch die endgültige Abtrennung von der Medizin mit der Gründung einer mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät. Nach seiner Zerstörung bei der Bombardierung Freiburgs 1944 wurde der Botanische Garten ausgebaut und umfangreich saniert. „Gegenüber neuen Herausforderungen wie dem Klimawandel ist der Garten gut aufgestellt“, sagt Speck. Trockenheitsempfindliche Bäume wie die Sumpfzypressen profitierten als Erste von einer ausgeklügelten Tröpfchenbewässerung. „Weitere Pflanzen werden folgen.“ Früh habe das Gartenteam begonnen, eine Datenbank für den Austausch von Pflanzensamen einzurichten. In Planung sei zudem ein digitales QR-System, um Besuchern via Smartphone möglichst viele Informationen zu einzelnen Pflanzen geben zu können.

Für die 400-Jahr-Feier sei die Premiere eines virtuellen Rundgangs durch den Garten sowie eine Reihe von Jubiläumsveranstaltungen vorgesehen gewesen, doch die Corona-Krise machte dem Team mit seinen Plänen einen Strich durch die Rechnung – manche der Aktionen werden später nachgeholt, andere entfallen. Der Botanische Garten musste aufgrund der Pandemie vorerst seine Pforten schließen; als Einrichtung der Universität befolgt er somit die Auflagen, die für alle Fakultäten und Institute gelten. „Das ist schon surreal“, sagt Thomas Speck. „Neulich saß ich in der Mittagspause auf einer Bank im leeren Garten und habe es bedauert, dass die Studierenden und Forschenden hier gerade nicht arbeiten können.“ Es sei bedauernswert, dass die Leute verpassten, wie schön alles dieser Tage blühe: „Da blutet mir das Herz.“ Trotzdem bleibt der Direktor optimistisch und arbeitet mit seinem Team derzeit unter anderem an Konzepten zur Wiederöffnung der grünen Schatzkiste. Und auch jenseits von Corona warten viele Herausforderungen auf den Botanischen Garten: „Wir werden ordentlich Kraft für die Zukunftsaufgaben brauchen, aber wir freuen uns darauf.“

Eva Opitz

Botanischer Garten der Universität Freiburg

 

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