Mutter und Vater arbeiten zusammen
Forscher widerlegen die Annahme, dass die Elternteile bei der embryonalen Entwicklung einer Pflanze in Konflikt stehen
Die Acker-Schmalwand ist ein niedriger, unscheinbarer und krautiger Spross aus der Familie der Kreuzblütler, den man auf einer Wiese auch leicht übersehen könnte – dabei hat das Gewächs das Potenzial, eine gängige Lehrmeinung zu revidieren: Der Freiburger Biologe Prof. Dr. Thomas Laux hat gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe sowie Kolleginnen und Kollegen von der Universität Nagoya/Japan nachgewiesen, wie Pflanzen eine grundlegend andere Strategie zur Fortpflanzung nutzen als Tiere. Das Team verwendete die Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) als Modellorganismus und zeigte, wie Pflanzen es schaffen, mit der Transkription der Gene, also mit dem Ablesen des Erbguts, bereits wenige Stunden nach der Befruchtung zu beginnen – einschließlich der Gene, die die ersten Entwicklungsschritte eines Embryos steuern. Die Forschenden beschreiben den neu endeckten Mechanismus in der Fachzeitschrift „Genes and Development“.
Aus biologischer Sicht beginnt das Leben nach der Befruchtung: Der Organismus verfügt über ein Genexpressionsprogramm, das die Entwicklung des Embryos aus einer einzelnen Zygote, also aus den verschmolzenen Kernen einer Eizelle und eines Spermiums, reguliert. Bei Säugetieren fällt in diesem Stadium jegliche Transkription in der Zygote weg. Stattdessen werden Gentranskripte und Proteine verwendet, die von der Mutter in der Eizelle eingelagert wurden. Pflanzen hingegen nutzen eine andere Strategie, um die Transkription der korrekten Gene in der Zygote zu sichern: Ein Signalweg, der zwischen Zellhülle und Zellkern für Kommunikation sorgt und vom Spermium aktiviert wird, hinterlässt Phosphatreste auf dem Transkriptionsfaktor WRKY2. Dadurch wird dieses Protein befähigt, die Transkription des Meisterregulators WOX8 zu aktivieren. Dieses Gen steuert die frühe Entwicklung eines Embryos. Bei der Acker-Schmalwand gehören dazu zum Bespiel die Ausbildung der Spross-Wurzel-Achse und die Verteilung der Zellen, die für das Wachstum der Pflanze sorgen.
Trotzdem kann WRKY2 allein die WOX8-Transkription nicht vollkommen regulieren; es braucht die Hilfe zusätzlicher Transkriptionsfaktoren, die von den mütterlichen Genen namens HDG11 und HDG12 stammen. Nur die Kombination des vom Spermium aktivierten WRKY2 und der mütterlichen HDG-Proteine kann gewährleisten, dass die Embryoregulierung in der Zygote beginnt. Der Vorteil einer solchen Zusammenarbeit könnte darin liegen, dass die Entwicklungsgene des Embryos nur dann aktiviert werden, wenn die Eizelle und das Spermium miteinander verschmolzen sind.
Die Studie widerlegt die bisherige Lehrmeinung, die sowohl für Tiere als auch für Pflanzen von der so genannten „elterlichen Konflikttheorie“ ausgegangen ist: Diese besagt, dass die beiden Elternteile bei der Regulation des Wachstums der Embryos miteinander konkurrieren. Während väterliche Genkopien vor allem den eigenen Nachwuchs mit Nährstoffen versorgen wollen, neigen die mütterlichen Genkopien dazu, die Ressourcen auf den gesamten Nachwuchs zu verteilen. Die Ergebnisse der Forschungsgruppe legen nahe, dass man bei der Initiierung der embryonalen Entwicklung von Pflanzen von einem neuen Modell der Kooperation beider Elternteile ausgehen muss.
Originalveröffentlichung:
Ueda, M., Aichinger, E., Gong, W., Groot, E., Verstraeten, I., Dai Vu, L., De Smet, I., Higashiyama, T., Umeda, M. and Laux, T. (2017). Transcriptional integration of paternal and maternal factors in the Arabidopsis zygote. Genes and Development 31, S. 617-662.
Thomas Laux’ Forschung an der Universität Freiburg
Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Laux
Institut für Biologie III
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-2943
E-Mail: laux@biologie.uni-freiburg.de