Uni-Logo
Sektionen
Sie sind hier: Startseite News Items Die soziale Evolution von Termiten
Artikelaktionen

Die soziale Evolution von Termiten

— abgelegt unter:

Ähnliche Genabschnitte wie bei Bienen und Ameisen sind für die Staatenbildung verantwortlich

Die soziale Evolution von Termiten

Eier, Larven und Arbeiter der Termitenart Zootermopsis nevadensis. Foto: Judith Korb

Ein Phänomen, das schon Charles Darwin faszinierte, ist die Entstehung riesiger komplexer Insektengesellschaften aus einzelgängerischen Vorfahren – wie bei Termiten und Ameisen. Sie haben die gleiche, als eusozial bezeichnete Lebensweise. Damit verbunden sind Besonderheiten wie die Bildung von Kasten, die mit einer Aufgabenteilung beispielsweise in Arbeiter und Soldaten einhergeht. Ein Team um die Evolutionsbiologin Prof. Dr. Judith Korb von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, den Bioinformatiker Prof. Dr. Erich Bornberg-Bauer und den Evolutionsbiologen Dr. Mark Harrison der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat nun erstmals die molekularen Grundlagen für die Evolution der eusozialen Lebensweise verglichen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Nature Ecology and Evolution“ veröffentlicht.

Trotz ihrer Gemeinsamkeiten sind Termiten und Ameisen nicht nah miteinander verwandt. Während sich die Termiten vor etwa 150 Millionen Jahren innerhalb der Schaben entwickelten, entstanden Ameisen und andere Hautflügler, darunter Bienen, erst 50 Millionen Jahre später an einem weit entfernten Zweig im Insektenstammbaum. Als eusozial werden die beiden Gruppen bezeichnet, da sie in mehreren Generationen zusammenleben und eine gemeinsame Brutpflege sowie reproduktive Arbeitsteilung betreiben, bei der sich nur ausgewählte Individuen innerhalb der Gruppe fortpflanzen, beispielsweise die Königin und der König bei den Termiten.

Die Forschenden wiesen nach, dass die Termiten Besonderheiten in jenen Abschnitten des Genoms aufweisen, die die Informationen für die an der chemischen Kommunikation beteiligten Chemorezeptoren tragen. „Kommunikation ist essenziell für alle biologischen Interaktionen und insbesondere für soziale Lebewesen. Während sie beim Menschen hauptsächlich über die Sprache erfolgt, kommunizieren Insekten vor allem chemisch über Duftstoffe“, sagt Judith Korb. Diese Kommunikation ermöglicht es Staaten bildenden Insekten beispielsweise, die eigenen Nestgenossen zu erkennen sowie die verschiedenen Kasten zu unterscheiden. „Im Vergleich zu den nahe verwandten Schaben sind die betroffenen Proteinfamilien zwar stark verkleinert, aber in ihrer Funktion stark differenziert, was auf ihre besondere Bedeutung hinweist“, unterstreicht Erich Bornberg-Bauer.

Die Ergebnisse decken sich auf den ersten Blick mit den Resultaten von früheren Studien zur Entstehung von Eusozialität bei Ameisen und Bienen. Bei genauerem Hinsehen jedoch entdeckten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass sich bei Ameisen und Bienen eine zwar verwandte, aber deutlich andere Chemorezeptor-Familie als bei Termiten zur Erkennung von Duftstoffen mit den Fühlern spezialisiert hat. „Dies ist somit ein klassisches Beispiel konvergenter Evolution: Unter einem ähnlichen Selektionsdruck entwickelten beide Gruppen unabhängig voneinander ähnliche molekulare Grundlagen für eine eusoziale Lebensweise“, sagt Mark Harrison. Das Team wies weitere Konvergenzen nach, darunter bei DNA-Abschnitten, die eine Rolle bei der Herstellung von Kohlenwasserstoffsignalen der Cuticula, also des Insektenpanzers, spielen könnten. Im Gegensatz zu den Rezeptoren handelt es sich bei den Signalen allerdings um die gleichen Substanzklassen wie bei Ameisen.

Als eine der wichtigsten Ursachen für die molekularen Anpassungen entdeckten die Forschenden so genannte Transposons, also DNA-Abschnitte, die ihre Position im Genom verändern können. Eine Klasse dieser Gene macht einen großen Teil des Genoms bei Schaben und Termiten aus. Sie sind assoziiert mit Proteinfamilien, die entscheidend an der chemischen Kommunikation beteiligt sind.

An der Studie waren Wissenschaftler aus elf Forschungseinrichtungen in sechs Ländern beteiligt, unter anderem von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona/Spanien, der University of Illinois at Urbana-Champaign/USA, der North Carolina State University in Raleigh/USA sowie vom Baylor College of Medicine Human Genome Sequencing Center in Houston/USA. 
 

Originalpublikation:
Harrison M. C., Jongepier E., Robertson H. M. et al. (2018): Hemimetabolous genomes reveal molecular basis of termite eusociality; Nature Ecology and Evolution, doi: 10.1038/s41559-017-0459-1

 

Kontakt:
Prof. Dr. Judith Korb
Institut für Biologie I
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-2546
E-Mail: 

Benutzerspezifische Werkzeuge