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Humboldt-Stipendiat Bitao Qiu forscht an der Universität Freiburg zu Termiten

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Evolutionsbiologe und Bioinformatiker Bitao Qiu erforscht Termiten: Ihn interessieren besonders die evolutions- und entwicklungsbiologische Fragestellung zu diesen Insekten. Foto: Jürgen Gocke

Nach Freiburg ist Dr. Bitao Qiu wegen der Termiten gekommen. Der Evolutionsbiologe und Bioinformatiker hatte schon mit Ameisen gearbeitet, jetzt reizten ihn die Termiten – und die besondere evolutions- und entwicklungsbiologische Fragestellung, mit der die Biologin Prof. Dr. Judith Korb an der Universität Freiburg zu diesen Insekten forscht. Seit Sommer 2022 ist Bitao Qiu Humboldt-Stipendiat in Korbs Arbeitsgruppe „Evolutionsbiologie & Ökologie: Von der Ökologie zu den Genen“.

Die Evolution sozialer Organisation

Freiburg kannte Bitao Qiu bis zum vorigen Sommer nicht. Aber er wusste von Judith Korb, die als Professorin für Biologie an der Universität Freiburg zur Evolution der Termiten forscht. „Ich habe schon in Kopenhagen ihre Veröffentlichungen gelesen und war neugierig auf ihre Arbeit“, sagt Qiu. An der Universität der Dänischen Hauptstadt hat er einen Master in Biologie gemacht, seine Doktorarbeit geschrieben und als Postdoc zu Ameisen gearbeitet – da lag das Interesse an Termiten nicht weit. Qiu stammt aus der südchinesischen Stadt Guangzhou, er hat in China ein Bachelorstudium in Biologie absolviert, sich in Bioinformatik weitergebildet und zwei Jahre für ein Unternehmen gearbeitet. Dann wechselte er an die Universität von Kopenhagen. Und irgendwann meldete er sich mit einer Projektidee bei Judith Korb. „Genau diese Idee hatte ich auch schon gehabt“, sagt Korb, „aber ich wusste niemand, der sie umsetzen konnte…“ Jetzt war derjenige gefunden: „Es passte perfekt“, sagt die Biologin. Sie schafften es, ein Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung für Qiu einzuwerben. Seit August 2022 arbeitet der 34-Jährige nun in Freiburg zur sozialen Evolution der Termiten – und wechselt hin und her zwischen Wildnis, Labor und Computer.

Für dieses Projekt müsse man sich in der Biologie auskennen, evolutionsbiologisch interessiert sein und Bioinformatik können, sagt Korb. Grob gesagt geht es darum, welche Organisationsformen von Termitenkolonien evolutionär früher und welche später entstanden sind. „Diese Frage wird seit über 40 Jahren heiß debattiert“, sagt Korb – auch, weil die Antwort Auswirkungen haben könnten auf das Verständnis der Entstehung sozialer Organisation bei Insekten.

Königinnen, „unechte“ und „echte“ Arbeiter

Verschiedenen Termitenarten zeigen unterschiedliche Grade sozialer Komplexität. Manche leben in kleinen Kolonien mit einigen hundert Individuen; stirbt hier König oder Königin, kann ein einfacher „Arbeiter“ oder eine „Arbeiterin“ die Position erben. Außerdem können Arbeiter ausfliegen und als Königin oder König eigene kleine Kolonien gründen. Sie werden deshalb „unechte Arbeiter“ genannt. Bei anderen Arten sind die Kolonien größer; hier können zwar Arbeiter die Brutposition der Könige und Königinnen erben, wenn diese sterben, aber nicht ausfliegen und neue Kolonien gründen. Ab dieser Stufe werden sie als „echte Arbeiter“ bezeichnet.

Und schließlich gibt es riesige Kolonien mit mehreren Millionen Individuen und sterilen Arbeitern. Diese komplexe Organisationsform einer Kolonie, die etwa der vieler Ameisen ähnelt, ist evolutionär am spätesten entstanden. Wie sich die beiden anderen Formen entwickelt haben, ist aber bisher unklar. „Die Phylogenie, also der uns bekannte Stammbaum, hilft uns hier nicht weiter, weil sich verschiedene Arten mit unterschiedlichen Organisationsgraden unabhängig entwickelt haben“, sagt Korb. Qiu will daher einen anderen Weg gehen – und Gene verschiedener Arten untersuchen, die entwicklungsbiologisch wichtig sind. Diese Analyse soll Hinweise bringen zur Entstehungsgeschichte der „echten“ und der „unechten“ Arbeiter.

Termiten sammeln in Südafrika

Dafür braucht er allerdings erst einmal Termiten vieler verschiedener Arten – und die müssen Korb und er weltweit selbst sammeln. Sie waren schon in der australischen Wildnis und den USA, im Mai geht es nach Südafrika. Natürlich greifen sie auch auf im Labor schon vorhandene Bestände und Exemplare von Kolleg*innen zurück, aber nicht für alle relevanten Arten ist das möglich. Außerdem findet Qiu: „Es macht Spaß, sie zu sammeln.“  Er mag, dass seine Forschung so vielfältig ist und er fast alles selbst machen kann. Vor allem arbeitet er im Labor, erstellt Genome der verschiedenen Arten und schaut sich die Expression von Genen an. Diese wiederum analysiert er mit aufwändigen bioinformatischen Methoden.

Freiburg und die Region hat er neben all der Arbeit bisher erst ein bisschen kennen gelernt. „Ich war schon manchmal wandern“, erzählt er. Qius Stipendium läuft bis 2024. Dann will er weiter in dem Bereich forschen. Ihn interessiert, ob Gene und Gennetzwerke, die die Entwicklung von Keimbahn und Körperzellen bei Tieren regulieren, auch bei der Differenzierung von Königen und Königinnen sowie Arbeitern in einer sozialen Insektenkolonie eine Rolle spielen. Könige und Königinnen entsprächen hier der Keimbahn, die Arbeiter den Körperzellen. „Dahinter steht die Frage, ob man Kolonien von sozialen Insekten als eine Art Superorganismen betrachten kann“, sagt Korb. „Ich war da früher sehr zurückhalten – aber es zeigen sich tatsächlich in der Evolution solcher Kolonien erstaunliche Ähnlichkeiten zur Entwicklungsbiologie etwa eines Säugetiers.“

Qiu hofft, sein komplexes Projekt in der Zeit als Humboldt-Stipendiat abschließen zu können: „Mir gefällt, dass es in Deutschland eine starke Förderung für Grundlagenforschung gibt.“ Jetzt will er erst einmal in Südafrika genug Termiten sammeln, die ihm noch fehlen. „Ob ich die wirklich finde, weiß ich noch nicht genau“, sagt er. „Aber wir sind Wissenschaftler – wir sind es gewöhnt, Probleme zu lösen.“

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