Jürgen Kleine-Vehn ist neuer Sprecher für Freiburger Exzellenzcluster CIBSS
Der Pflanzenwissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Kleine-Vehn komplettiert seit Januar das dreiköpfige Sprecherteam des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling der Universität Freiburg. Im Interview spricht er darüber, warum ihm die Forschung an biologischen Signalen so sehr fasziniert, und was für ihn das Besondere an der Universität Freiburg ist.
Der Exzellenzcluster CIBSS erforscht die Signalprozesse, die es Zellen ermöglichen, ihre Aufgaben zu koordinieren, Gewebe zu bilden und sich an Umweltbedingungen anzupassen. Ziel von CIBSS ist, in dieser „Sprache des Lebens“ zu kommunizieren, also die Signalverarbeitung innerhalb von Zellen und Geweben zu verstehen und sie dadurch gezielt kontrollieren zu können. Dafür arbeiten mehr als 70 Forschungsgruppen in interdisziplinären Projekten zusammen. Kleine-Vehn leitet den Exzellenzcluster gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Driever und Prof. Dr. Carola Hunte.
Herr Professor Kleine-Vehn, was begeistert Sie besonders an der biologischen Signalforschung und an Ihrer neuen Funktion als Sprecher des Exzellenzclusters CIBSS?
Was mich daran begeistert, ist die Komplexität der Vorgänge, die wir untersuchen. Jedes Mal, wenn wir einen grundlegenden Schritt vorangekommen sind, stellen wir fest, dass es noch viel mehr zu entdecken gibt. Dadurch tauchen wir wie in einem immerwährenden Puzzlespiel stetig tiefer in die Materie ein. Das fasziniert mich.
Mit meiner Arbeitsgruppe erforsche ich, wie Pflanzen auf äußere Signale reagieren. Pflanzen funktionieren ganz anders als zum Beispiel wir Menschen: Wir haben nach der embryonalen Entwicklung schon alle Körperteile. Pflanzen dagegen bilden während des Wachstums immer wieder neue Organe. Dafür müssen sie ständig alle Signale, die sie wahrnehmen, integrieren, und daraus Entscheidungen treffen. Wie das funktioniert, ist bisher noch nicht gut verstanden. Als Kind wäre ich gerne Entdecker geworden, aber irgendwann habe ich bemerkt: Die ganzen Kontinente sind ja schon entdeckt! Also wäre Astronaut vielleicht noch eine Option gewesen. Das, was ich jetzt mache, ist aber nichts anderes. Wir schauen in Zellen hinein, um etwas zu entdecken, was so noch nie jemand beobachtet hat. Zudem tun wir das an einem unglaublich interessanten grünen Organismus, der im Vergleich zu uns manchmal den Eindruck vermittelt, von einem anderen Sternensystem zu stammen.
An meiner neuen Funktion als CIBSS-Sprecher begeistert mich, dass ich jetzt sogar noch enger als vorher mit Kolleg*innen aus verschiedenen Fachrichtungen zusammenarbeite. Wir haben in jeder Forschungsnische so etwas wie eine eigene Sprache. Die Grenzen, die dadurch entstehen, brechen wir in CIBSS täglich auf und entwickeln eine gemeinsame wissenschaftliche Sprache. Ich sehe einen großen Mehrwert darin, die Forschung auf diese Art neu zu begreifen. Wir haben alle sehr viel Detailwissen in unseren jeweiligen Fachgebieten und sind darin sehr gut vernetzt. Aber wir bleiben eben oft in unserem eigenen Bereich. Das ist das Schöne und Anregende an CIBSS: Wenn man mit zwei oder drei verschiedenen Leuten spricht, spricht man gleichzeitig über zwei oder drei verschiedene Forschungsfelder. Das ist enorm motivierend und ich komme auf Lösungswege, die ich alleine nicht hätte beschreiten können.
Mit welchen aktuellen Herausforderungen beschäftigen Sie sich und wie könnte eine Lösung aussehen?
Auf einer persönlichen Ebene ist das in auf jeden Fall das Zeitmanagement in meiner neuen Rolle (lacht). In meiner eigenen Forschung begegne ich aber natürlich auch vielen Herausforderungen: Ich beschäftige mich vor allem mit einem bestimmten Pflanzenhormon, dem Auxin. Das spielt in sehr vielen Prozessen eine Rolle. Dadurch passiert es oft, dass die Projekte meiner Forschungsgruppe in neue Felder hineinreichen. Wir müssen uns also ständig neues Wissen aneignen und mit anderen Gruppen zusammenarbeiten. Das haben wir natürlich schon immer gemacht, und auch international sind wir gut vernetzt. Das ist dann aber meist punktuell – also man fragt ‚Kannst du mir Feedback geben?‘, oder ‚Kannst du ein bestimmtes Experiment für uns machen?‘. Interdisziplinäre Forschungsverbünde wie CIBSS bieten andere Möglichkeiten und sind eine wichtige Antwort auf solche Herausforderungen. Der ständige Austausch, den ich in CIBSS erlebe, und dass andere Mitglieder immer wieder neue Sichtweisen reinbringen, das bringt dann eine ganz neue Dimension in die Wissenschaft.
Auch in meiner Rolle als Sprecher sehe ich Herausforderungen. Ich verstehe mich als Vertreter für die vielfältigen Forschungsbereiche des Clusters. Normalerweise vertritt man seine eigene Forschung oder Forschungsgebiet – jetzt ist das sehr viel breiter. Das sehe ich aber total positiv und merke schon jetzt, dass ich daran persönlich wachse.
Wie ist es, an der Universität Freiburg zu forschen und was gefällt Ihnen besonders gut dabei?
Wenn ich meinen Sohn in den Kindergarten bringe, dann treffe ich jedes Mal andere Forschende und rede zum Beispiel mit einer Chemikerin und einem Mediziner. Natürlich reden wir dann viel über unsere Kinder, aber auch über Wissenschaft. Und diese Zufälligkeit des Austausches, die da entsteht, die finde ich sehr schön.
Ich habe auch den Eindruck, dass die Wertschätzung für pflanzenwissenschaftliche Themen hier sehr hoch ist. Und dass ich als Pflanzenwissenschaftler so gut mit anderen Fakultäten wie Chemie oder Medizin vernetzt bin, war für mich bisher nicht so selbstverständlich wie hier in Freiburg. Ich bin erst 2021 nach Freiburg gekommen, also als es CIBSS schon gab. Dadurch war ich von Anfang an in dieses sehr interdisziplinäres Forschungsumfeld eingebunden und habe diese gelebte interdisziplinäre Wissenschaftskultur von Anfang an sehr genossen.
Was ist Ihr Lieblingsplatz in Freiburg?
Im Arbeitsalltag finde ich es sehr schön, dass wir den botanischen Garten so direkt vor der Tür des Instituts haben. Besonders im Frühling oder Sommer verbringe ich da gerne Zeit, entweder zum Mittagessen, oder auch zwischendurch zum Lesen von Publikationen.
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