Wie Blaualgen Mikroorganismen manipulieren
Forschungsteam an der Universität Freiburg entdeckt ein bisher unbekanntes Gen, das indirekt die Photosynthese fördert
Cyanobakterien werden auch Blaualgen genannt und gelten als „Pflanzen des Ozeans“, weil sie in gigantischen Größenordnungen Photosynthese betreiben, Sauerstoff produzieren und das Klimagas CO2 aus der Umgebung entnehmen. Hierzu benötigen sie aber weitere Nährstoffe wie Stickstoff. Ein Team um den Biologen Prof. Dr. Wolfgang R. Hess, Professor für Genetik an der Universität Freiburg, hat ein bisher unbekanntes Gen entdeckt, das eine zentrale Rolle in der Koordination des Stickstoff- und Kohlenstoffwechsels spielt: Die Cyanobakterien steuern damit indirekt das Wachstum von Mikroorganismen, die die Photosynthese fördern. „Unsere Arbeit zeigt, dass es vielfältige, bisher nicht bekannte Wechselbeziehungen selbst zwischen den kleinsten Organismen in der Umwelt gibt und dass eine Vielzahl bisher unbekannter Gene dabei eine Rolle spielt“, sagt Hess. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.
Balance zwischen Hauptnährstoffen
Die für Pflanzen, Algen und Cyanobakterien verfügbaren Mengen an Kohlenstoff (CO2) und Stickstoff sind nicht immer gleich. Für die Photosynthese ist eine physiologisch relevante Balance zwischen diesen beiden Hauptnährstoffen von großer Bedeutung. Alexander Kraus, Doktorand bei Wolfgang R. Hess an der Universität Freiburg, hat nun in Gendaten von Cyanobakterien ein Gen entdeckt und charakterisiert, das in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle spielt: Das Gen kodiert ein Protein mit dem Namen NirP1. Dieses wird nur hergestellt, wenn die Zellen einen Mangel an Kohlenstoff relativ zu dem verfügbaren Stickstoff feststellen.
Das Protein ist zwar zu klein, um wie viele andere Proteine selbst als Enzym wirken zu können. In Zusammenarbeit mit Dr. Philipp Spät und Prof. Dr. Boris Macek vom Proteomzentrum der Universität Tübingen konnten die Forschenden aber herausfinden, dass NirP1 fest an ein Enzym binden kann, das normalerweise Nitrit in Ammonium umwandeln würde. NirP1 verhindert dies und sorgt somit dafür, dass sich Nitrit in der Zelle sammelt; in der Folge kommt es zu massiven weiteren Stoffwechselveränderungen, die in Zusammenarbeit mit dem Team von Prof. Dr. Martin Hagemann an der Universität Rostock detailliert untersucht wurden. Schließlich beginnen die Cyanobakterien, Nitrit in die Umwelt zu exportieren. Dort stimuliert das zusätzliche Nitrit das Wachstum nützlicher Mikroorganismen, also eines für die Photosynthese der Cyanobakterien förderlichen Mikrobioms.
Anregungen für weitere Forschung
Die Ergebnisse bieten Anregungen, die Wechselwirkungen zwischen Mikroorganismen und die Rolle der sie steuernden, bisher häufig unbekannten Gene weiter zu erforschen, so Hess. „Darüber hinaus könnten kleine Proteinregulatoren wie NirP1 künftig in der ‚grünen‘ und ‚blauen‘ Biotechnologie zur gezielten Kontrolle des Stoffwechsels eingesetzt werden.“
Faktenübersicht:
Kontakt:
Hochschul- und Wissenschaftskommunikation
Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-4302
E-Mail: kommunikation@zv.uni-freiburg.de